Parallelen in der Verehrung zwischen christlichen Heiligen und heidnischen Gottheiten
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Als ich kürzlich wandern ging, entdeckte ich in einem Bergwald mehrere Schreine, die verschiedenen christlichen Heiligen gewidmet waren, darunter die heilige Barbara, den heiligen Hubertus, den heiligen Leonhard und den heiligen Nikolaus. Mir kam der Gedanke, wie perfekt diese Heiligen thematisch in diese natürliche Umgebung passten. Die heilige Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, schien hier besonders gut aufgehoben zu sein, ebenso wie der heilige Hubertus, der Patron der Jäger und Förster, und der heilige Leonhard, Beschützer der Bauern und Tiere. Der heilige Nikolaus, der auch als Schutzpatron der Händler und Kaufleute verehrt wird, fügte vor allem vor dem Hintergrund eine interessante Ergänzung hinzu, dass eine der ältesten Handelsstraßen Deutschlands, die Venedig mit Augsburg verband, sich durch das Tal zwischen den Bergen schlängelte.
Gerade bei alten heidnischen Kultstätten sehen wir ein ähnliches Phänomen, dass die Götter und Göttinnen zur jeweiligen Landschaft passten und die entsprechenden Qualitäten widerspiegelten, sie waren sozusagen die personifizierte Form jener Kräfte.
In einem Vortrag am Gresham College äußerte sich der renommierte britische Historiker Prof. Ronald Hutton, der für seine Arbeiten über das Heidentum bekannt ist, zur Frage, wie viel vom alten heidnischen Glauben bis in das Mittelalter überlebt haben könnte. Er erklärte, dass das Christentum den heidnischen Glauben in gewisser Weise überflüssig gemacht habe, indem es dessen Merkmale in einer parallelen Form reproduzierte und diese mit einer anderen Theologie verband. Dies führte dazu, dass die christlichen Heiligen anstelle der alten Götter und Göttinnen traten.
Viele Menschen, die sich wieder mit der alten Naturreligion verbinden möchten, versuchen deshalb in den christlichen Heiligen Anhaltspunkte zu finden, die auf eventuelle frühere heidnische Götter und Göttinnen und ihre Attribute Rückschlüsse zulassen. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, da es sich historisch bis auf wenige Ausnahmen, wie bei der keltisch-irischen Göttin Brigid, die später zur St. Brigid wurde, kaum belegen lässt und wir zu wenig über die alten Götter und Göttinnen wissen, um qualifizierte Vergleiche ziehen zu können. Doch oftmals gibt es erstaunliche Parallelen zwischen beiden Glaubenssystemen, die ich hier auflisten möchte:
Polytheismus und die Vielfalt der Heiligen:
Eine der auffälligsten Parallelen ist die Vorstellung von Vielfalt und Vielzahl. Im Heidentum gab es zahlreiche Götter und Göttinnen, von denen jeder für spezifische Lebensbereiche oder Aspekte der Welt zuständig war. Im Christentum bietet die Heiligenverehrung eine Art paralleles System. Statt vieler Götter gibt es Hunderte von Heiligen, von denen jeder bestimmte Attribute oder Fachgebiete abdeckt. Ähnlich wie die heidnischen Götter sind diese Heiligen sowohl männlich als auch weiblich. Interessant ist, dass etwa die Hälfte aller Heiligen Frauen sind, die von der Himmelskönigin Maria angeführt werden, welche Züge der heidnischen Göttinnen Juno, Venus und Diana annimmt.
Lokale Verbundenheit und Anhängerschaft
Ähnlich wie die heidnischen Stammesgötter, die oft nur für eine bestimmte Region oder einen speziellen Stamm von Bedeutung waren, gab es auch im Christentum Heilige, die eine sehr begrenzte Anhängerschaft hatten und ausschließlich in gewissen Gegenden verehrt wurden und sonst nirgendwo. Einige Beispiele von regionalen britischen Heiligen sind Saint Walstan von Bawburgh und Saint Sidwell. Diese Heiligen verdeutlichen, wie die Heiligenverehrung im Christentum eine enge Beziehung zu spezifischen Gemeinschaften und Lebensstilen aufbaute, ähnlich wie es bei den heidnischen Göttern und Göttinnen der Fall war, die die Natur und Kultur ihrer jeweiligen Regionen widerspiegelten.
Patronage, Schutzheilige und Bereichszuordnung:
Ähnlich wie heidnische Götter Patrone bestimmter Berufe, Altersgruppen oder Regionen waren, waren Heilige Patrone für eine Vielzahl von Aspekten des Lebens. Es gab Heilige, die Schutz für bestimmte Berufe, Altersgruppen, Krankheiten, Geschlechter, Nationen, Regionen, landwirtschaftliche Prozesse und sogar Tiere boten. Diese Patronatsverhältnisse spiegeln die Art und Weise wider, wie sowohl das Heidentum als auch das Christentum die verschiedenen Aspekte des menschlichen Lebens durch spirituelle Vermittler abdeckten.
Alltagsheilige – Die Religion des gewöhnlichen Volkes:
Gerade wenn es um alltägliche Probleme ging, wie eine verschwundene Kuh, ein krankes Kind oder Eheprobleme, wendete man sich eher an den entsprechenden Heiligen, da man diese als näher am Leben empfand und sich dadurch Hilfe im Umgang mit den alltäglichen Problemen versprach. Ähnlich den heidnischen Göttern bauten die Menschen dadurch eine vertraute und zugängliche Form der spirituellen Verbindung auf, die nah an ihrer Alltagsrealität war und die auf ihre konkreten Bedürfnisse und Erfahrungen abgestimmt war. Diese intime Verbindung, die gerade die Landbevölkerung zu den Heiligen hatte, zeigt sich auch in einer Studie aus dem französischen Logère aus den 1960er-Jahren. Es wurde festgestellt, dass im Vorjahr nur 5 % der Einwohner einen Gottesdienst in ihrer Pfarrkirche besucht hatten, aber 49 % der Männer und 78 % der Frauen hatten den Schrein eines Heiligen besucht.
Heilige Orte und natürliche Verehrung:
Nicht zuletzt gibt es Ähnlichkeiten in der Verehrung natürlicher Orte. Im Heidentum wurden Quellen, Bäume und andere natürliche Stätten als heilig angesehen und sie waren die bevorzugten Orte, um mit den Göttern zu kommunizieren. Im Christentum wurden diese Orte ebenso mit Heiligen in Verbindung gebracht, indem unmittelbar daneben Schreine errichtet wurden, die einem oder einer Heiligen gewidmet waren, welche mit dem Ort in Verbindung stand, wie im Falle der Mechthildsquelle, die bei Augenleiden helfen soll. Auch Christen konnten so innerhalb ihres Glaubens an jenen abgeschiedenen Orten in der Natur die Hilfe von Heiligen erbeten, ohne unbedingt eine Kirche betreten zu müssen oder einen Gottesdienst besuchen zu müssen.
Fazit:
In Anbetracht all dieser Parallelen und Aspekte ist es schwer zu leugnen, dass die Tradition der Heiligenverehrung im Christentum in gewisser Weise einen Brückenschlag zu alten heidnischen Praktiken darstellt. Im Endeffekt können wir nicht mit Sicherheit sagen, wie heidnisch die Heiligenverehrung ist. Doch die protestantische Reformation, die im 16. Jahrhundert begann und unter anderem das Ziel verfolgte, sich wieder auf die Bibel und die Grundwerte des Christentums zu besinnen, verdeutlicht, dass einige kirchliche Vertreter durchaus das Paradoxon erkannten, dass trotz ihrer vehementen Ablehnung des Heidentums erstaunliche Parallelen existierten, wie der Historiker Prof. Ronald Hutton betonte, derer sie sich im Zuge der Reformation in einer selbstreflektierten Art entledigten.
Im römisch-katholischen Glauben spielt die Heiligenverehrung weiterhin eine bedeutende und beliebte Rolle, wie man an dem wunderbaren Beispiel ‘eines Waldes voller Heiliger’ sehen kann, welchen ich auf meiner Wanderung entdeckt habe. Diese Entdeckung erinnerte mich daran, wie die Natur oft einen natürlichen Zugang zu Spiritualität und Glauben schafft und wie wir von ihr lernen können. Die Vielfalt unserer Welt ist ebenso faszinierend wie die Diversität der Natur selbst. Vor diesem Hintergrund hege ich die Hoffnung, dass mit der Zeit die Doppelmoral, die einige Repräsentanten des römisch-katholischen Glaubens aufweisen, überwunden wird. Dies könnte den Weg zu einer größeren Offenheit und Toleranz gegenüber dem heidnischen Glauben ebnen und gleichzeitig unser Verständnis für die unterschiedlichen spirituellen Ausdrucksformen erweitern.