Der Lindwurm vom Murnauer Moos
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Die Lebensenergie der Erdgöttin, wird symbolisch oftmals als Drache oder Schlange dargestellt, was dem gleichen Wortstamm entspringt. Sie windet sich in kraftvollen Energiebahnen durch das Erdreich und ist für feinfühlige Menschen spürbar. Als Ur-Schlange wurde diese mit dem Aufkommen des Patriarchats mit dem Bösen in Verbindung gebracht und verteufelt. So ist gerade an Orten ehemaliger Naturverehrung die Symbolik des Drachentöters sehr präsent. Was hierbei besonders auffällt ist, dass im Gegensatz zu Hollywoodfilmen der Drache immer auf dem Boden ist und nie schwebend in der Luft. Warum würde ein Drache, sofern er Flügel hat, sich nicht aus der Luft verteidigen? Sondern wie ein Wurm, hilflos und eingerollt vor dem Ritter kauern? Hier kommen wir wieder zu dem altgriechischen Wortstamm „Drakon“, was soviel wie Schlange oder schlangenartiges Mischwesen bedeutet. Wir haben es hier also mit einer Schlange zu tun, einem Wurm, gegen den das Christentum kämpft, welcher nichts anderes ist, als das Symbol für die Urweiblichkeit. Diese Schlange, die Python war bereits zu antiken Zeiten Teil eines alten Gaia Kultes.
Die Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth nennt die Systematik der „Verteufelung“ die Methode der Umkehrung der Werte. Wir dürfen also davon ausgehen, dass überall wo wir auf die Drachentöter oder Teufel Symbolik stoßen, wir es eigentlich mit alten heiligen Orten der Göttin zu tun haben.
Doch der Drache ist nicht nur Ausdruck für die Uressenz der heiligen Weiblichkeit, er zeigt sich auch in vielfacher Weise in der Landschaft. So werden oftmals Flüsse, wie z.B. in China, als Drache bezeichnet.
Als ich mich mit Murnau, dessen Stadtwappen ein grüner Lindwurm ist und dem Murnauer Moos beschäftigte, fragte ich mich die ganze Zeit, wo der Drache ist? Bis ich mit meinem Hund gemütlich eine alte Eichenallee, die Kottmüller Allee, entlang schlenderte und es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Oh mein Gott, wie konnte ich nur so blind sein?! Bin ich diesen Weg doch schon einige Male gegangen, während ich die Aussicht auf die angrenzende Bergkette genoß! Doch dieses Mal sah ich ihn, den mächtigen Erddrachen, den Lindwurm, wie er sich mit seinen gezackten Hügeln durch das Land schlängelte.
Jetzt wo ich das ganze auf mich wirken lasse, sehen die sich überlagernden Gebirgsketten wirklich wie ein riesiger Wurm aus. Wenn ich mir dann noch die Häuser und Straßen wegdenke, dann muss dieser für unsere naturverbundenen Vorfahren unübersehbar gewesen sein! Die Art und Weise wie unsere Vorfahren die Natur betrachteten war nicht analytisch. Wir modernen Menschen sehen hin und sagen „Bergkette, Fluss, Hügel“ und damit haben wir die Landschaft für uns mental erfasst und ihre Analyse abgehakt. Doch der Blick der Naturvölker war ein anderer, er war mehr auf die symbolische Sprache der Landschaft ausgerichtet. Denn um ihr Überleben zu sichern, mussten sie diese auf einer metaphysischen Ebene erfassen. Sie spürten sich hinein, ob sich diese für sie nährend und unterstützend oder eher bedrohlich „anfühlte“. Diese Art, die Umgebung emotional und energetisch zu erfassen ist, wie man am östlichen Feng Shui und der westlichen Geomantie sieht, schon sehr alt. Wir müssen also unseren magischen Blick schulen, wenn wir die Landschaft aus den Augen unserer Vorfahren betrachten möchten.
Ein anderes Phänomen sind Kraftlinien, welches man am Murnauer Moos so wunderschön sieht. Diese Lebensenergielinien, oder Ley Lines wie sie in der Geomantie bezeichnet werden, verbinden energetisch wichtige Punkte miteinander und man findet sie auf der ganzen Welt. Früher befanden sich auf diesen Plätzen oft alte keltische Heiligtümer, wie Grabkammern, Erdhügel oder Steinkreise. Heute findet man auf ihnen durch die kulturelle Überlagerung meistens Kirchen oder Klöster, wie man vom Asam Punkt aus sehen kann. Drei Kirchen welche sich perfekt in einer Linie verbinden, ist aus geomantischer Sicht kein Zufall.
Das Ähndl wurde dem heiligen Georg, dem Drachentöter geweiht, genauso wie die Kirche St. Georg in Weichs, dessen Altarbild einen kampffreudigen Heiligen zeigt. Die Energielinie, auf welcher sich die Kirchen befinden und die bis zum Gipfel des Rauhecks verläuft, wird als “Drachenstich” bezeichnet. Sie stechen dem Lindwurm sozusagen an energetisch sensibler Stelle in den unteren Rücken!
Beim Menschen wird das untere Ende der Wirbelsäule symbolisch als eine schlafende Schlange dargestellt, wenn diese erwacht, dann steht der Mensch in seiner vollen Kraft, denn dies ist der Sitz der Kundalini-Energie, des Lebensfeuers.
Die Kirche in Ohlstadt ist dem heiligen St. Laurentius gewidmet. St. Laurentius nährte die Armen, indem er das Kirchenvermögen mit ihnen teilte. Ebenso ist er der Schutzpatron des offenen Feuers, sowie der Bäcker und Köche. Feuer und Nahrung sind essentielle Faktoren für unser Überleben. Der Festtag des Hl. Laurentius ist Anfang August, ebenso wie das alte keltische Korn-und-Brot Fest, wo der schwangere Leib der Erdgöttin verehrt wird.
Was sagt das über das Murnauer Land aus? Ist es ein Mutter-Land, welches seine Kinder stärkt und nährt, durch die Fülle seiner Pflanzenarten, Heilkräuter, Wiesen und Felder?
Zu jedem Drachen gehört auch immer eine junge Frau, die Jung-frau, welche laut christlicher Legende errettet werden muss. Denn sie verfügt über keine eigenen Kräfte.
Doch wenn wir auch hier das Prinzip der Umkehrung anwenden und das ganze aus einem matriarchalen Blickwinkel betrachten, dann hätten wir es nicht mit einer “hilflosen Jungfrau”, sondern mit einer jungen Göttin zu tun, welche die Drachenkraft beherrscht und seinen feurigen Aspekt kontrolliert, so wie die Köche und Bäcker die Kraft des “kontrollierten” Herdfeuers geschickt nutzen. Somit ist es die Göttin selbst, welche das Land durch die gezähmte Kraft fruchtbar macht.
Auch die Opferthematik spielt bei dem alten Erntefest eine große Rolle. Der August war der Monat wo die Schnitterin durchs Land zog um die Heilkräuter durch einen scharfen Schnitt ihrer metallenen Sichel zu ernten.
Ebenso muss das reife Korn geopfert werden, damit es sich zu Brot wandeln kann. So wie sich Laurentius als Märtyrer geopfert hat, indem er auf einem glühenden Eisenrost hingerichtet wurde, so wird auch die Natur, welche unter der glühenden Sonne herangereift ist, für ein größeres Wohl geopfert.
Unter Berücksichtigung der Missionierungsstrategie, welche viele der alten heidnischen Götter und Brauchtümer in christlichen Kontext setzte und deren Eigenschaften auf kirchliche Heilige übertrug, finde ich hier einige bemerkenswerte Parallelen.
P.S. Natürlich ist bei so viel weiblicher Urkraft der Teufel auch nicht weit. Der Grat auf dem Bild heißt deshalb “Teufelsgrat”! 🙂