Die gefährliche Verharmlosung von Narzissmus in der spirituellen Szene!
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Gerade die spirituelle Szene, die sich gerne als reif und weit entwickelt sieht, zeigt oft große Paradoxe auf. Viele Menschen in dieser Community haben sehr starre Vorstellungen davon, wie ein spiritueller oder “weit entwickelter” Mensch zu sein hat. Und man gilt schnell als “getriggert” oder in “Egothemen” verhaftet, wenn man über schwere Themen wie Missbrauch spricht. Der Aufschrei Einiger kommt dann oft unmittelbar und intensiv.
So erging es auch meiner sehr engen Freundin, die ihre Erfahrungen mit einem narzisstischen Ex-Partner öffentlich geteilt hat – jemand, der sie extrem manipulierte, Gaslighting betrieb, wiederholt log und gewalttätige Ausbrüche hatte, und sogar versuchte, ihr mit polizeilichen Falschaussagen massiv zu schaden. Sie teilte diese Erfahrungen in der Hoffnung, anderen Frauen in ähnlichen Situationen Mut zu machen und über das Thema aufzuklären, was ihr sofort die Kritik einbrachte, es wäre nur ihr verletztes Ego, das hier sprechen würde.
Ich finde diese Art der Reaktionen und die damit einhergehende Verharmlosung und Abwertung ihrer gemachten Erfahrungen aus unterschiedlichen Perspektiven bedenklich und für die Opfer sogar gefährlich.
Narzissmus – Eine ernstzunehmende Persönlichkeitsstörung
Wer sich ernsthaft mit dem Thema Narzissmus auseinandersetzt und Fachliteratur liest, weiß, dass Narzissmus eine anerkannte Persönlichkeitsstörung ist. Experten wie der Psychologieprofessor Sam Vaknin, ein führender Forscher auf diesem Gebiet, betonen, dass Narzissten aufgrund tief verwurzelter Entwicklungsstörungen so gut wie nicht veränderungsfähig sind. Vaknin beschreibt, dass Narzissten emotional in der Entwicklungsphase eines dreijährigen Kindes steckengeblieben sind. Dies deckt sich mit den Erfahrungen vieler Opfer, die trotz großer Bemühungen keine Veränderung im Verhalten ihrer narzisstischen Partner feststellen konnten. Stattdessen finden sie sich immer tiefer in einem Netz aus Manipulation und Gaslighting verstrickt, das sie an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt.
Verharmlosung durch spirituelle Ratschläge
In der spirituellen Szene stoßen solche ernsthaften Berichte oft auf scheinbar gut gemeinte, aber gefährliche Ratschläge. Kommentare wie „Das ist nur dein verletztes Ego, das hier spricht“, „Jeder kann sich zum Positiven ändern, auch Narzissten“, oder „Wir haben alle narzisstische Züge“ verharmlosen die Schwere der Situation und widersprechen den Aussagen von Fachleuten. Ein großer Teil von narzisstischem Missbrauch ist es, dass die Opfer es lange nicht wahrhaben wollen oder nicht sehen können, dass es wirklich Menschen gibt, deren Toxizität so extrem ist, dass man denken könnte, solche Charaktere existieren nur im Film und nicht im echten Leben. Diese Menschen sind Meister der Manipulation, die das Maskenspiel perfekt beherrschen und somit einen großen Einfluss auf ihre Opfer ausüben können. Menschen mit narzisstisch-psychopathischen Zügen, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind und somit unfähig sind eine wahre und tiefe Verbindung mit ihren Mitmenschen einzugehen. Da kommen diese gut gemeinten, aber oberflächlichen spirituellen Ratschläge besonders gefährlich ins Spiel, da sie die Zweifel des Opfers bestätigen und die Vorstellung bestärken, dass es solche Menschen nicht geben kann. Dies trägt dazu bei, dass die Betroffenen länger in der missbräuchlichen Beziehung verbleiben und weiterhin manipuliert und misshandelt werden. Somit sind diese Verharmlosungen besonders gefährlich für Betroffene, die noch in solchen Beziehungen stecken und mit den Folgen des extremen Gaslightnings und des Missbrauchs kämpfen.
Mangelndes Einfühlungsvermögen
Wenn die erste Reaktion auf solch eine zutiefst verletzende Erfahrung diejenige ist, dass man dem Opfer sagt, dass auch der Täter unsere Liebe und unser Mitgefühl verdient, dann ist dies nicht nur äußerst unsensibel, sondern spricht auch von wenig Einfühlungsvermögen. Interessant ist, dass diese Reaktionen häufig von Menschen kommen, die sich als besonders erhaben und spirituell darstellen, indem sie konstant Liebe und Licht predigen. Dabei verhalten sie sich oft genau entgegengesetzt zu dem, wie sie sich gerne sehen würden: empathisch, mitfühlend und verständnisvoll.
Solche Kommentare haben oft einen unterschwelligen moralisch anmahnenden Tonfall, der das Opfer belehrt. Dies führt dazu, dass sich der Betroffene schlecht fühlt, wenn er seinen Gefühlen von Schmerz und Wut Ausdruck verleiht und das Gefühl hat, nicht mehr über die Sache reden zu können, da diese Art von Moralapostel-Kommentare wie eine Art Maulkorb wirken.
Narzissmus ist mehr als nur Eitelkeit
Oft hört man die Kritik, dass heutzutage jeder überall gleich Narzissmus und eine narzisstische Störungen sieht. Manche vermeiden das Wort gar und nutzen eher Umschreibungen, aus Furcht verurteilt zu werden. Doch diese Kritik verallgemeinert stark und zeigt eine fehlende Unterscheidungsfähigkeit. Der Blick fürs Detail fehlt. Denn dann würde man sehen, dass die Menschen, die wirklich das Wort Narzissmus in den Mund nehmen, oft von tiefgreifenden Erfahrungen berichten, die Missbrauch, Gaslighting und massive Lügen beinhalten – all diese Dinge sind Teil einer narzisstischen Störung. Ich habe noch nie jemanden über Narzissmus reden hören, der sagte: „Mein Ex hat sich immer gerne so lange im Spiegel angesehen…“ Vielmehr sprechen sie von ernsthaften und schädigenden Verhaltensweisen, die ihr Leben stark beeinträchtigt haben und von denen sie oft Jahre brauchten, um sich zu erholen.
Die wichtige Unterscheidung zwischen Selbstverantwortung und Schuld
Natürlich können auch Opfer aus diesen Erfahrungen lernen – Selbstliebe, Grenzen setzen, für sich selbst einstehen. Dies sind Persönlichkeitsanteile, die oft dazu beitragen, dass eine toxische Beziehung aufrechterhalten wird. Diese Themen werden durch den narzisstischen Missbrauch ans Licht gebracht, sodass das Opfer daran arbeiten kann. Es ist wichtig zu betonen, dass dies nicht bedeutet, dass das Opfer die Schuld für den Missbrauch trägt. Stattdessen reflektiert es die Notwendigkeit, eigene Schwächen zu erkennen und daran zu arbeiten, um solche Beziehungen in Zukunft zu vermeiden. Die Schuld bei beiden Parteien zu suchen, verkennt die Dynamik narzisstischen Missbrauchs und die psychologische Realität dieser Persönlichkeitsstörung.
Es ist an der Zeit, dass die spirituelle Szene mehr Resilienz auch für unangenehme und als schwer empfundene Themen entwickelt. Denn wie können wir “Liebe und Licht” sein, wenn wir die tiefen Verletzungen der Betroffenen ignorieren oder sogar entwerten? Oberflächliche Kommentare und Reaktionen machen die Opfer zu Schuldigen, anstatt ihnen den Raum und das Mitgefühl zu geben, das sie brauchen, um zu heilen. Im Endeffekt ist das nichts anderes als eine Form von Gaslighting – ähnlich dem, was Narzissten tun. Wir müssen lernen, zuzuhören, ernsthaft hinzuschauen und den Opfern von Missbrauch den Raum zu geben, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und zu heilen. Nur so können wir eine wirklich mitfühlende und unterstützende Gemeinschaft aufbauen, die sich auch vor unangenehmen Wahrheiten nicht verschließt.
Sehr gute Erläuterung. So nehme ich diese Störung auch wahr. Bin auch betroffenen von so einer Beziehung im langjährigen Freundeskreis. Habe mich an den Heilungsvorschlägen von Dr. Langlotz bzw. Erklärung orientiert. Herzlichen Dank. Sigrid